Das Bundesverfassungsgericht hat das zweite Nachtragshaushaltsgesetz des Bundes mit Urteil vom 15. November 2023 - 2 BvF 1/22 - für verfassungswidrig und nichtig erklärt. In dem Urteil geht es um die rückwirkende Umbuchung von Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro in ein Sondervermögen, das heute Klima- und Transformationsfonds (KTF) heißt. Die Entscheidung hat grundlegende Bedeutung für die Haushalts- und damit auch für die Innovations- und Forschungspolitik.
„Bildung, Innovation und Forschung sind die zentralen Ressourcen unseres Landes“, kommentiert der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens VDI/VDE-IT, Peter Dortans, den Vorgang. „Investitionen in die Innovationsförderung sind sinnvoller und dringender denn je. Der Wirtschaftsstandort Deutschland kann es sich nicht leisten, hier zu zögern und zu sparen.“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist bemerkenswert, da erstmals ausführlich der Umgang mit der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse höchstverfassungsrechtlich dargelegt wurde. „Für die aktuelle Krise kann sich dies als Chance erweisen“, sagt VDI/VDE-IT-Geschäftsführer Dortans.
„Insgesamt hat das Bundesverfassungsgericht einen klaren Weg aufgezeigt, wie Klimaschutz- und Transformationspolitik auf eine rechtssichere Grundlage gestellt werden kann.“
Janina Everwyn, Abteilungsleiterin Recht der VDIVDE-IT führt aus, dass neben der grundsätzlichen haushaltsrechtlichen Kritik an dem Umgang mit dem Gesetz auch die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse umfangreich dargelegt wurde. Gemäß Art. 109 Abs. 3. S. 2 und Art. 115 Abs. 2 S. 6 des Grundgesetzes (GG) kann der finanzpolitische Rahmen außerhalb der Schuldenbremse im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, erweitert werden.
Das Bundesverfassungsgericht verweist diesbezüglich darauf, dass für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung über den Wortlaut von Art. 109 Abs. 3 S. 2 und Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG hinaus ein sachlicher Veranlassungszusammenhang zwischen der Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation und der Überschreitung der Kreditobergrenzen erforderlich ist. Bei dessen Beurteilung kommt dem Gesetzgeber jedoch ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der nur bedingt verfassungsgerichtlich überprüfbar ist. Diesem Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum korrespondiert eine Darlegungslast im Gesetzgebungsverfahren.
Ausdrücklich stellt das Bundesverfassungsgericht daneben fest, dass der Gesetzgeber auch bei der Ausnahmeregelung gemäß Art. 109 Abs. 3 S. 2 und Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG an die fundamentalen Haushaltsgrundsätze der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit gebunden ist, unabhängig davon, ob als Gestaltungsform ein rechtlich unselbstständiges Sondervermögen gewählt wird. Zudem muss das Gebot der Vorherigkeit auch bei der Aufstellung von Nachtragshaushalten beachtet werden, das heißt ein Nachtragsentwurf ist bis zum Jahresende parlamentarisch zu beschließen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat unmittelbar zur Folge, dass sich der Umfang des Klima- und Transformationsfonds um 60 Milliarden Euro reduziert. Die Bundesregierung hatte noch am gleichen Tag eine Ausgabensperre für den Fonds gemäß § 41 Bundeshaushaltsordnung (BHO) verhängt. Mit Datum vom 20. November 2023 wurde dann – bis auf wenige Ausnahmen – fast der gesamte Bundeshaushalt 2023 gesperrt und einen Tag später auch Teile des Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF). Das Bundesverfassungsgericht verweist in seinem Urteil darauf, dass das zweite Nachtragshaushaltsgesetz des Bundes nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die notlagenbedingte Kreditaufnahme entspricht und zudem gegen fundamentale Haushaltsgrundsätze verstößt.