Dr. Ernst Andreas Hartmann
Bildung und Wissenschaft
Die Entwicklung der Wirtschaft, der Unternehmen und der Arbeitsplätze ist wesentlich von technischen Veränderungen und Innovationen beeinflusst. Die Digitalisierung beschleunigt diese Veränderungen spürbar. Gerade für die Arbeitswelt stellen sich viele Fragen: Wie wird digitale Technik unsere Arbeit verändern? Wird sie anspruchsvoller, leichter oder monotoner? Wird für Menschen überhaupt noch Arbeit da sein, wenn Roboter, künstliche Intelligenz und smarte Maschinen alles übernehmen?
Wahrscheinlich wird für Menschen noch lange Arbeit da sein. Jede technologische Umwälzung vernichtet Arbeitsplätze, schafft aber auch neue Tätigkeiten, oftmals solche, die man sich vorher nicht hätte vorstellen können. Wer hätte etwa vor 20 Jahren irgendetwas mit dem Berufsbild „App-Developer“ verbinden können?
Ändern wird sich sicherlich die menschliche Arbeit selbst. Das ist allerdings nicht direkt aus der technischen Entwicklung ableitbar. Ganz entscheidend für die Qualität der menschlichen Arbeit ist die Arbeitsorganisation in den Betrieben: Wer bekommt welche Aufgaben, welche Informationen, welche Entscheidungsbefugnisse, welche Handlungsspielräume? Bei völlig gleicher technischer Ausstattung sind ganz unterschiedliche Organisationsmodelle denkbar.
Grob lassen sich zwei Typen von Organisationmodellen unterscheiden: Bei dem einen Typ entstehen Arbeitsplätze, die insgesamt durch eher hohe Anforderungen und vielfältige Lern- und Problemlösesituationen gekennzeichnet sind. Der andere Typ ist charakterisiert durch sehr unterschiedliche Arbeitsplatztypen: sehr anspruchsvolle auf der einen Seite, sehr anspruchsarme auf der anderen. Entsprechend sind die Qualifikationsprofile beim ersten Typ insgesamt anspruchsvoll und wenig unterschiedlich, beim zweiten hingegen stark unterschiedlich.
Die Wahl zwischen solchen Organisationstypen ist für die Unternehmen in weiten Grenzen frei. Das relativ hohe Qualifikationspotenzial in Deutschland, gerade auch bei den beruflich Qualifizierten, ist allerdings eine gute Basis für eine anspruchsvolle, lernförderliche Arbeitsorganisation im Sinne des ersten Organisationstyps.
Lernförderliche Arbeitsorganisation ist zugleich eine wichtige Voraussetzung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Ein hohes Anforderungsniveau – sprich eine hohe Aufgabenkomplexität – ist typisch für Deutschland und trägt sicherlich zur Innovationsfähigkeit der deutschen Unternehmen bei.
Die Möglichkeiten digitaler Technologien können genutzt werden, um eine solche lernförderliche Arbeitsumgebung noch weiter auszugestalten. Sensorik, Datenintegration und -visualisierung oder Assistenzsysteme sind nur wenige Beispiele für solche technischen Möglichkeiten.
Auch wenn die Analyse technischer Entwicklungen alleine nicht ausreicht, um Vorhersagen für die Zukunft zu treffen, lassen sich doch einige Trends bestimmen: So wird etwa die Fähigkeit, mechanische, elektronische und informatische (Teil-)Systeme gemeinsam beherrschen und optimieren zu können, immer wichtiger. Die zukünftige Arbeitsorganisation wird allerdings darüber entscheiden, wer diese Fähigkeiten wird haben müssen, und wie viele Menschen welcher Qualifikationsprofile das betreffen wird.
Für unseren Blick in die Zukunft müssen wir also auch versuchen, solche organisationalen Entwicklungen vorherzusagen. Dieses Zusammenwirken von Technologie und Organisation wird für unterschiedliche Technologien und Branchen unterschiedlich sein; in Technologie- / Branchenmatrizen lassen sich solche differenzierten Aussagen abbilden.
Auf dieser Basis kann man schließlich begründet vermuten, welche Qualifikationsanforderungen entstehen werden.
In Studien und Begleitforschungen analysieren wir, welche Veränderungen von Arbeit und Qualifikation mit welchen technologischen Entwicklungen einhergehen und wie die Arbeit der Zukunft gestaltet werden kann.