Containerschiff im Meer
Copyright

Nur wer an Normung und Standardisierung beteiligt ist, kann Inhalte gestalten, eigene Interessen durchsetzen und damit den Markt beeinflussen. Kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-ups fehlen dazu allerdings oft die Ressourcen. Hier setzt unsere Arbeit an.

Der vernetzte Waren-, Dienstleistungs- und Datenverkehr der Welt fußt auf Normen und Standards. Der sprichwörtliche „Standard-Container“ in der internationalen Seefracht mag dafür ein gutes Beispiel sein: Mit einer Länge von 6.058 Millimetern, einer Breite von 2.438 Millimetern und einer Höhe von 2.591 Millimetern ist der 20-Fuß Seecontainer wohl der Gängigste. Nur durch einheitliche Verfahren, Produkte und Technologien wird aber auch komplexe Hightech handhabbar und gelingt das reibungslose Ineinandergreifen verschiedenster Dienste. Das gilt für Schrauben, Paletten, technische Formate und Anschlüsse bis hin zum Internet Protokoll, WLAN-Frequenzen und Mobilfunk. 

Normen und Standards sorgen für Vertrauen, Qualität und Sicherheit 

Sie geben Wettbewerbern Planungssicherheit und damit Vertrauen in ihr Marktsegment. Verbraucherinnen und Verbrauchern wiederum wird die Nutzung vieler Produkte erleichtert. Ein Beispiel ist der USB-C-Standard, der in vielen europäischen Haushalten den Kabelsalat deutlich reduziert. 

Und die Nachteile? Neben diesen positiven Aspekten werden Normen und ihre Entstehung aber auch mit aufwändigen Prozessen, Hemmnissen für Innovation und Überregulierung in Verbindung gebracht. Ein bekanntes Beispiel ist die Baubranche, in der seit vielen Jahren die steigende Anzahl an Vorgaben kritisiert wird, die zu höheren Baukosten führt. 

Offizielle Normen entstehen in der Regel aufgrund eines Bedarfs und auf Initiative der Marktteilnehmer, denn durch sie wird ein Marktdurchbruch von innovativen Ideen wahrscheinlicher. Normungsorganisationen wie das deutsche DIN und die DKE, die europäischen Komitees CEN und CENELEC oder die international tätigen ISO und IEC organisieren den Austausch zwischen Wirtschaft, Verbrauchern, Politik und Gesellschaft. Sie schaffen so im Konsens aller interessierten Kreise Normen, die den aktuellen Stand der Technik abbilden und dazu beitragen, den Markt zu harmonisieren. Die eher inoffiziellen (De-facto-)Standards entstehen hingegen meist in geschlossenen Interessensverbünden, oft aus einer sicheren Marktposition heraus. Beide Varianten bringen Vorteile und Herausforderungen mit sich, wie die folgende Abbildung zeigt. 

Vorschau Tabelle Vergleich Normen und Standards


Immer gilt: Nur wer an Normung und Standardisierung beteiligt ist, kann die Inhalte gestalten und die eigenen Interessen durchsetzen und damit den Markt beeinflussen oder die Wettbewerbsposition stärken. Deshalb ist es für deutsche und europäische Unternehmen wichtig, sich an Normungsprozessen und in Standardisierungskonsortien zu beteiligen. Kleinen und mittleren Unternehmen und Start-ups fehlen dazu allerdings oft die Ressourcen. Dabei ist es entscheidend, dass gerade sie ihre Expertise in nationalen und internationalen Gremien einbringen, sodass die Normen und Standards ihre Handschrift tragen und sie Wettbewerbsvorteile erzielen können. Im Idealfall fließen die eigenen Anforderungen beispielsweise in Bezug auf Sicherheits-, Qualitäts- oder Nachhaltigkeitsaspekte in Normen und Standards ein. Zudem erlangen teilnehmende Unternehmen einen Wissensvorsprung gegenüber Mitbewerbern, die sich nicht beteiligen. 

Hier ist noch einiges zu tun. Deutschland hat in der Normung eine führende Position, aber die Standardisierungsaktivitäten im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) beispielsweise treiben derzeit andere Länder und Regionen voran. 

„Ob im Bereich Digitalisierung, KI, Mobilität oder Energie – die Transformation unserer Wirtschaft erfordert die Weiter- und Neuentwicklung von Normen und Standards“, sagt der Geschäftsführer der VDI/VDE-IT Peter Dortans. „Dabei ist die aktive Beteiligung an Normungs- und Standardisierungsgremien ein essentielles Instrument im globalen Wettbewerb. Der Mittelstand als Rückgrat unserer Wirtschaft muss die Normen und Standards in wichtigen Zukunftsfeldern mitgestalten, damit Deutschland weltweit an der Spitze bleibt. Als Projektträger unterstützen wir Mittelständler auch in diesen Fragen seit vielen Jahren.“

In der europäischen Normungsorganisation für Telekommunikationstechnologie (ETSI) etwa liegt mehr als die Hälfte der Stimmrechte bei nicht-europäischen Unternehmen. Dies liegt an den europäischen Niederlassungen internationaler Digitalkonzerne. Würden sich mehr deutsche und europäische KMU in Normungsgremien engagieren, könnte dieses Ungleichgewicht abgebaut werden. 

Normen und Standards für die digitale und grüne Transformation

Normen und Standards sind wichtige Instrumente für die digitale und grüne Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft: Normen für Technologien wie Künstliche Intelligenz, synthetische Kraftstoffe, (grünen) Wasserstoff oder für eine Kreislaufwirtschaft helfen bei der Gestaltung der europäischen Zukunft. 

Im Bereich Kreislaufwirtschaft sind zum Beispiel der Prozess zur Erstellung der „Normungsroadmap Circular Economy“ oder die internationale „Norm für Umweltbewusstes Gestalten (ECD) – Grundsätze, Anforderungen und Leitfaden (DIN EN IEC 62430 VDE 0042-2:2022-10)“ zu nennen. Erst genannte Roadmap bündelt die bestehenden Normen und Standards im Bereich Kreislaufwirtschaft und zeigt auf, welche Bedarfe bestehen. Sie definiert unter anderem Anforderungen an Mehrwegsysteme, standardisierte Mehrwegverpackungen und Qualitätsanforderungen an Sekundärrohstoffe sowie zur Langlebigkeit von Produkten. Interessant ist, dass der Roadmapping-Prozess als partizipativer Ansatz gestaltet wurde und eine breite Beteiligung der interessierten Fachöffentlichkeit ermöglicht wurde. Die zweitgenannte konkrete Norm für umweltbewusstes Gestalten hilft Unternehmen dabei, negative Umweltauswirkungen in der Entwicklungsphase von Produkten und Dienstleistungen zu minimieren, beispielsweise, indem Leitfäden zur Verfügung gestellt werden.  

Der nachhaltige und digitale Wandel bringt ebenfalls neue Herausforderungen im Bereich Normung: Je höher die Vielfalt an Technologien ist und je höher deren Komplexität, desto anspruchsvoller ist es, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Vor allem im Bereich der Zukunftstechnologien setzen sich immer wieder De-facto-Standards durch. Auch in diesem Bereich sollten die deutschen Unternehmen ermutigt und unterstützt werden, sich stärker zu beteiligen, sodass andere Industrienationen wie China und die USA nicht ihre Standards durchsetzen und den Markt dominieren.

„Als Projektträger und in Begleitforschungen unterstützen wir Stakeholder im Bereich Forschung und Entwicklung beim Transfer ihrer Forschungsergebnisse in innovative Produkte und Dienstleistungen“, sagt die Leiterin des Fachbereichs Mobilität, Energie und Zukunftstechnologien in der VDI/VDE-IT, Petra Weiler. 
„Dazu gehört auch die umfassende Information und Beratung zum Einsatz der verfügbaren Innovationsinstrumente Normung, Standardisierung, Patentierung und deren Zusammenspiel im Kontext von Markt und Wettbewerb, Regulierung sowie Zertifizierung.“

Die VDI/VDE-IT ist als Projektträger unter anderem im Projektträgerplus Batteriezellfertigung zum Thema digitaler Produktpass (Battery Pass) und Lithium sowie in der Projektträgerschaft Elektronik und autonomes Fahren; Supercomputing direkt an Normungsprozessen beteiligt. Unsere Fachleute arbeiten in Gremien zur Normung und Standardisierung und bei Normungsaktivitäten mit, führen im Themenfeld wissenschaftliche Analysen im Rahmen von Projektträgerschaften sowie eigenständige Studien durch, informieren, unterstützen und begleiten geförderte Projekte in Begleitforschungsaufträgen und bewerten kontinuierlich den Stand von Wissenschaft und Technik. Beispielsweise untersuchte das Institut für Innovation und Technik in der VDI/VDE-IT (iit), gemeinsam mit Prof. Hans Schotten vom DFKI im Auftrag des BMWK in der Studie „Die Rolle der Normung 2030 und Gestaltungsoptionen unter Berücksichtigung der technologiespezifischen Besonderheiten der IKT in der Normung und Standardisierung“, welche strukturellen und konzeptionellen Anpassungen in der Normung erforderlich sind, um diese für die Beteiligten auch in Zukunft wirtschaftlich, effizient und nutzbringend zu gestalten.