Geschäftsführer Peter Dortans im Interview

Foto Peter Dortans
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Der künftige Mobilfunkstandard 6G soll ab dem Jahr 2030 eingeführt werden und verspricht bis zu hundertfach mehr Übertragungsgeschwindigkeit als bisher. Die Chancen und Herausforderungen beim Thema "6G" behandeln wir in unserer neuen Studie "Alles vernetzt, alles möglich." In dem nachfolgenden Interview spricht unser Geschäftsführer Peter Dortans über den neuen Mobilfunkstandards für den Mittelstand, seine Bedeutung für Cybersicherheit und nationale Verteidigung sowie die Rolle Ostdeutschlands als Innovationsstandort. 


Herr Dortans, 6G gilt als die nächste Revolution in der Mobilfunktechnologie. Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für den Technologiestandort Deutschland?
Peter Dortans: 6G ist weit mehr als nur der nächste Schritt nach 5G. Es geht nicht einfach nur um noch mehr Bandbreite. Es geht um eine völlig neue Stufe der digitalen Vernetzung. 6G wird zur Schlüsseltechnologie für Wirtschaft, Sicherheit und digitale Souveränität. 

Was heißt das konkret?
PD: Deutschland hat in vielen Bereichen – etwa Maschinenbau, autonomer Mobilität, Medizintechnik bis hin zu Künstlicher Intelligenz – eine starke technologische Basis. 6G wird diese Bereiche entscheidend vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts deutlich stärken. 6G ermöglicht Datenverarbeitung in Echtzeit, nahtlose Vernetzung von Maschinen mit dem Menschen als Mittelpunkt und dient als Plattform für KI-Dienste. Das eröffnet neue Geschäftsmodelle und sollte die digitale Souveränität Deutschlands stärken. 

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
PD: Der Wettbewerb ist hart. Die USA, China und Südkorea investieren Milliarden in 6G-Forschung. Wir in Deutschland verfügen aber über eine exzellente Forschungslandschaft – wie dem Fraunhofer-Heinrich-Hertz-Institut, der TU München oder der TU Dresden, die bereits an 6G-Technologien arbeiten. Zudem haben wir eine starke mittelständische Industrie, die neue Anwendungen für 6G entwickeln kann. Entscheidend wird sein, wie schnell wir von der Forschung in die praktische Umsetzung kommen.

Was sind dabei die größten Herausforderungen?
PD: Vier Punkte sind besonders kritisch: Erstens der Netzausbau, denn ohne eine leistungsfähige Infrastruktur kann 6G seine Potenziale nicht entfalten. Zweitens die Cybersicherheit und Resilienz, denn mit 6G entstehen neue Angriffspunkte für Cyberkriminalität und Spionage. Drittens der Fachkräftemangel – es fehlt an Ingenieur*innen und IT-Experten*innen, die diese Technologien entwickeln und einsetzen. Hier müssen wir in Bildung und Weiterbildung investieren. Und viertens: Bei der Nutzung von 5G in der Industrie haben wir gelernt, dass sowohl ein funktionaler Mehrwert als auch der Return-on-Investment für die industrielle Nutzung klar ersichtlich sein sollte, damit für Netzbetreiber und vertikale Industrien die Wertschöpfung frühzeitig möglich ist. 

Deutschland wurde beim öffentlichen 5G-Ausbau oft für mangelndes Tempo und Funklöcher kritisiert. Wie kann es bei 6G besser laufen?
PD: 6G bietet eine zweite Chance, sich frühzeitig an die Spitze der Entwicklung zu setzen. Nutzen wir sie! Entscheidend ist, dass wir jetzt in die Forschung, die Infrastruktur und die industrielle Umsetzung weiter investieren. Die Bundesregierung hat mit Förderprogrammen, insbesondere den 6G-Forschungs-Hubs, den 6G-Industrieprojekten und der „6G Platform Germany“ bereits wichtige Impulse gesetzt. Aber es muss noch mehr passieren – insbesondere eine engere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Welche Chancen bietet 6G dem Mittelstand?
PD: 6G hilft kleinen und mittleren Unternehmen dabei, global wettbewerbsfähig zu bleiben. Besonders profitieren Unternehmen aus den Sektoren Industrie 4.0, Automatisierung und Logistik. Mit 6G können Menschen und Maschinen in Echtzeit miteinander kommunizieren und kollaborieren, was Produktionsprozesse revolutioniert. In der Medizintechnik ermöglicht 6G Telechirurgie mit extrem niedriger Latenz. Jede Millisekunde Verzögerung oder Fehler bei einer Übertragung können hier über Leben und Tod entscheiden. Auch der Landwirtschaft bieten 5G und 6G neue Möglichkeiten, etwa durch Sensoren zur Überwachung des Wachstums von Pflanzen und (teil-)autonom arbeitende Landmaschinen.

Was raten Sie kleinen und mittelgroßen Unternehmen?
PD: Die größte Hürde ist die Höhe der Investitionen. Die Unternehmen müssen sich bei der Nutzung von modernen Vernetzungstechnologien zusätzlich auf die Komplexität notwendiger Sicherheitsmaßnahmen einstellen, um sich gegen Cyberangriffe zu schützen. Zudem fehlt es an Fachkräften, die die neuen Technologien implementieren können. Aber: Die Bundesregierung und die EU bieten Förderprogramme, um den Mittelstand bei der Umstellung zu unterstützen. Wer früh einsteigt, wird langfristig profitieren.

6G bringt eine neue Dimension der Vernetzung. Steigt damit die Anfälligkeit für Cyberangriffe? 
PD: Ja und nein - die zunehmende Vernetzung durch 6G und die zu erwartende Cloud-Architektur macht Cybersicherheit zu einer noch größeren Herausforderung. Das ist richtig. Wenn Milliarden von Geräten miteinander kommunizieren, entstehen neue Angriffsflächen für Cyberkriminelle und feindliche Staaten. Herkömmliche Verschlüsselungsmethoden könnten durch Quantencomputer angreifbar werden, weshalb wir auf Post-Quantum-Kryptografie umsteigen müssen. Zudem brauchen wir eine teils selbstorganisierende Netz-Architektur, die Sicherheitsvorfälle erkennt. Die gute Nachricht ist: 6G macht im gleichen Zug sicherere Kommunikation im Netz möglich. Die vollständige Kontrolle über unser Netz haben wir jedoch nur, wenn wir auf vertrauenswürdige Netzkomponenten aus Europa und anderen Wertepartnern setzen.

Welche Bedeutung hat 6G für die Verteidigung Deutschlands?
PD: 6G wird auch die Kommunikation in militärischen und sicherheitskritischen Bereichen revolutionieren. Der Standard ermöglicht eine nahezu verzögerungsfreie Steuerung autonomer Systeme, sei es in der Luft, an Land oder im Wasser. Künstliche Intelligenz und sensorische Fähigkeiten des 6G-Netzes können in Echtzeit Bedrohungen wie Spionagedrohnen erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten. 

Wie wichtig ist Ostdeutschland für die 6G-Entwicklung?
PD: Die neuen Bundesländer haben sich in den vergangenen Jahren in weiten Teilen zu einem Hightech-Standort entwickelt. Dresden ist mit dem 5G Lab Germany, der TU Dresden und der starken Halbleiterindustrie heute eine führende Region in der Mobilfunkforschung und Start-up-Schmiede. Leipzig treibt Smart-City- und Mobilitätsprojekte voran, und auch in Sachsen-Anhalt gibt es innovative Unternehmen in der Mikroelektronik. Durch gezielte Investitionen kann die Region eine bedeutende Rolle in der 6G-Entwicklung einnehmen und in eine Schlüsseltechnologie investieren.

Was muss jetzt getan werden, um bei 6G eine Spitzenposition einzunehmen?
PD: Wir müssen die Forschung intensivieren – Deutschland hat hier mit führenden Universitäten eine sehr gute Ausgangsposition. Zudem brauchen wir 6G-Netzkomponenten „Made in Europe“, um nicht von China oder den USA abhängig zu sein. Kritische Komponenten können wir nicht aus unsicheren Quellen beziehen. Und: Wir sollten früh den Mittelstand einbinden, damit innovative Anwendungen entstehen. Die enge Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft entscheidet darüber, Deutschland erfolgreich als Innovationsführer zu positionieren.

Herr Dortans, vielen Dank für das Gespräch.